Bio oder konventionell: Was ist gesund für uns und die Umwelt?

 

Ist bio (immer) besser?
 

Ja, sagt Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V. (BÖLW):


Bio ist besser, denn die Art, wie wir heute Landwirtschaft betreiben, ist nicht zukunftsfähig. Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat kürzlich festgestellt, dass allein die deutsche Landwirtschaft jährlich 90 Milliarden Euro  an Umweltfolgekosten verursacht. Wir brauchen also eine andere Form des Wirtschaftens. Bio schützt Umweltressourcen und erhält damit die Lebens- und Nahrungsgrundlagen für zukünftige Generationen.
 
Ökologischer Landbau wirtschaftet ohne chemisch-synthetische Pestizide, Gentechnik und mineralischen Stickstoff zur Düngung und setzt auf eine flächengebundene Tierhaltung. Die Anzahl von Tieren, die ein Betrieb halten darf, ist damit direkt daran gekoppelt, was dem Boden guttut. Durch die Tiere entsteht nur so viel Mist, wie die Pflanzen als Dünger brauchen. So werden eine Überdüngung und die Belastung von Boden und Wasser vermieden. Zu einer ökologischen Lebensmittelwirtschaft gehören auch eine starke Einschränkung der Lebensmittelzusatzstoffe und der Ausschluss bestimmter Verarbeitungsverfahren in der Produktion.

Peter Röhrig ist Agrarwissenschaftler und Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.. © Nadine Tschira

 
Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft sparen wir durch den Ökolandbau jährlich 750 bis 800 Euro pro Hektar an Klimafolgekosten. Wenn wir das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel von 30 Prozent Ökolandbau erreichen, sparen wir jährlich vier Milliarden Euro. Das zeigt eine aktuelle Studie der TU München.
 
Es ist richtig, dass wir in Regionen, wo besonders günstige Bedingungen herrschen, mit den intensiven konventionellen Methoden mehr Ernteerträge pro Fläche erzielen. Doch in anspruchsvolleren Gebieten, etwa Trockenregionen, erzielt der Ökolandbau gleichwertige oder sogar höhere Erträge. Zum Beispiel durch Kompostwirtschaft, die den Humus im Boden anreichert und die Wasserhaltefähigkeit verbessert.
 
Bei der Frage, wie wir in Zukunft die Weltbevölkerung ernähren werden, müssen wir uns eines verdeutlichen: Aktuell ernährt sich Europa von der Welt. Wir sind durch intensive Tierhaltung Nettoimporteure von Agrarrohstoffen. Wir entziehen den Weltmärkten Kalorien und Eiweiß. 60 Prozent des Getreides, das wir in Europa anbauen, landen im Futtertrog, weitere 20 Prozent gehen in die energetische Nutzung. Unsere Verantwortung ist es, die Tierhaltung und den Fleischkonsum auf ein Maß zu bringen, das ökologisch vertretbar ist. Der ökologische Landbau leistet auch hier einen Beitrag durch die flächengebundene Tierhaltung.
 
Wir wissen zudem aus Studien, dass zum Beispiel Kantinen, Krankenhäuser oder Kitas, die den Anteil von Biolebensmitteln erhöhen, automatisch auch ihre Menüs in Richtung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verändern. Weniger Fleisch und Convenience-Produkte, mehr frische Lebensmittel, die besser schmecken. Das führt zu weniger Essen, das im Müll landet, und trägt zu einer gesünderen Ernährung im Allgemeinen bei.

 

Nicht zuletzt spielen Genuss, Geschmack und Gesundheitsfaktoren bei Biolebensmitteln eine wichtige Rolle.
Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.

 
Wichtig ist auch der Preis. Aktuell sind Biolebensmittel oft teurer als konventionell hergestellte. Allerdings haben wir im turbulenten vergangenen Jahr an den Agrarmärkten erlebt, dass Biolebensmittel deutlich preisstabiler sind. Der Preisabstand für Produkte wie Milch oder Butter ist deutlich geringer geworden. Ein zweiter Aspekt: Aktuell haben wir es mit einer extrem unfairen Wettbewerbssituation zu tun. Die oben genannten Klimafolgekosten spiegeln sich nicht im Preis konventioneller Produkte wider. Das ist unsinnig.
 
Nicht zuletzt spielen Genuss, Geschmack und Gesundheitsfaktoren bei Biolebensmitteln natürlich eine wichtige Rolle. Bioprodukte sind zunächst darüber definiert, wie sie hergestellt wurden. Die Pestizidbelastung der Produkte ist deutlich geringer als bei konventioneller Herstellung. Sie haben außerdem einen höheren Trockenmassenanteil, weil weniger gedüngt wurde. Die Produkte sind also weniger verwässert. Darüber hinaus enthalten sie einen erhöhten Anteil an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, zum Beispiel gesundheitsfördernde Antioxidantien. All dies wirkt sich auf das Produkt, das ich im Supermarkt kaufe, aus. Hinzu kommt der ethische Aspekt, der für bio spricht: Wenn ich ein Stück Fleisch von einem Tier kaufe, das ein ordentliches Leben hatte, trägt das auch zu meinem Genusserlebnis bei.

Bio-Produkte haben einen erhöhten Anteil an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, zum Beispiel gesundheitsfördernde Antioxidantien, erklärt Argrarwissenschaftler Peter Röhrig.
 

Nein, sagt Prof. Dr. Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie an der Uni Bonn:



Bio ist nicht zwingend besser. In sehr spezifischen Kontexten kann die ökologische Landwirtschaft der konventionellen überlegen sein. Doch sie sollte nicht als Blaupause für Nachhaltigkeit dienen, wie es der jüngste Plan der Bundesregierung vorsieht. Danach soll der Ökolandbau auf 30 Prozent hochskaliert werden. Metaanalysen, die Ergebnisse aus internationalen Studien zusammenfassen, zeigen klar: Der ökologische Landbau ist nicht grundsätzlich besser als der konventionelle – und manchmal sogar schlechter.
 
Das ist vor allem damit zu erklären, dass ökologische Landwirtschaft zu niedrigeren Erträgen führt. Daher sollten wir Treibhausgasemissionen nicht pro Hektar vergleichen, sondern pro Ertrag. Dann relativieren sich die Vorteile: In einigen Kontexten schneidet der Ökolandbau schlechter ab, in anderen sind beide Anbauformen gleichauf. Biolandwirtschaft kann also sogar zu einer Verschlechterung der Klimabilanz führen.

Matin Qaim ist Ernährungssystem- und Entwicklungsökonom und promovierte in Agrarökonomie an der Universität Bonn

  
Wenn wir den Anteil an Biolandwirtschaft in Deutschland steigern, werden zwar bei uns keine natürlichen Lebensräume zerstört, aber wir ernten weniger und importieren mehr. Die Importe kommen häufig aus Regionen, wo die Regulierungen es erlauben, Naturflächen wie etwa Regenwälder zu roden. Dadurch entstehen hohe Treibhausgasemissionen, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern hier gar nicht bewusst sind. Für das Klima spielt es aber keine Rolle, wo die Emissionen entstehen.
 
Durch die Kultivierung von Naturflächen verlieren wir außerdem Biodiversität. Der grassierende Artenverlust passiert vor allem in Biodiversity-Hotspots in den Tropen. Das sind genau die Regionen, in denen Agrarflächen weiter ausgebreitet werden.
 
Ein weiteres Argument sind die Böden: Gesunde Böden sind wichtig für die Erhaltung der Natur und für die Landwirtschaft. In den meisten Gebieten Europas gibt es allerdings kein ernsthaftes Problem mit der Bodengesundheit. Nur an einzelnen Standorten haben wir durch Überdüngung ein Nitrat- und Phosphatproblem. Dies entsteht aber nicht durch Mineraldünger, wie er in der konventionellen Landwirtschaft genutzt wird, sondern in viehintensiven Regionen, wo zu viel organischer Dünger auf den Feldern landet.

 

Biolandwirtschaft kann sogar zu einer Verschlechterung der Klimabilanz führen.
Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie

 
Richtig ist jedoch, dass organische Düngung zu einem höheren Anteil an organischer Substanz im Boden führt – und das ist gut. Denn er sorgt dafür, dass Böden mehr Wasser halten können und zudem mehr Kohlenstoff gebunden wird. Aktuell haben wir in Deutschland zehn Prozent Ökolandbau, die genügend organische Substanz zum Düngen bekommen, unter anderem aus der konventionellen Landwirtschaft. Wenn wir den Anteil auf 30 Prozent steigern, ist die Frage, woher der organische Dünger stammen soll, wenn wir gleichzeitig – richtigerweise – die Tierhaltung zurückschrauben wollen. Umgekehrt lässt sich organischer Dünger aber auch in der konventionellen Landwirtschaft verwenden.
 
Ähnlich differenziert müssen wir Pestizide betrachten. Ein zertifizierter Ökoapfel wird im Großen und Ganzen keine synthetischen Pestizide enthalten. Gleichzeitig sind die Rückstände an Pestiziden in konventionellen Produkten, die in Deutschland hergestellt wurden, nicht gesundheitsgefährdend, weil wir sehr strenge Rückstandsgesetze haben. Im Ökolandbau sind wiederum nur synthetische Pestizide verboten, nicht aber biologische wie das Schwermetall Kupfer. Solche Rückstände können in Bioprodukten landen und sind sicher nicht gesund.
 
In Summe steckt hinter dem Ökolandbau ein zu starres System, das nicht immer offen für wissenschaftliche Erkenntnisse ist. Ziel sollte es sein, ein möglichst nachhaltiges Produktionssystem für Lebensmittel zu entwickeln. Der Begriff „konventionelle Landwirtschaft“ ist da nicht hilfreich, weil er gar nicht definiert ist. Er umfasst ein weites Spektrum von der zu Recht kritisierten Monokultur bis hin zu sehr nachhaltigen Formen der Landwirtschaft. Wir brauchen eine Mischung aus bio und konventionell.
 
Bei alldem ist es natürlich begrüßenswert, dass Menschen, die Bioprodukte kaufen, sich häufig mehr Gedanken über Lebensmittel machen. Doch am Ende ist die Frage, was wir konsumieren und wie viel, deutlich entscheidender für das Klima als die Frage, ob es ökologisch produziert wurde oder nicht. Ich tue dem Klima eher etwas Gutes, wenn ich mich stärker pflanzenbasiert ernähre, als wenn ich zum Biosteak greife.
 
Und was denkst Du?
 
Ob bio oder nicht – es gibt viele Argumente auf beiden Seiten. Fest steht: Es gibt einiges zu besprechen. Wir wollen deswegen wissen, wie du zu diesem und weiteren Themen stehst, die für unsere Zukunft entscheidend sind. Beschäftigst du dich zum Beispiel vor dem Einkauf mit der Nachhaltigkeit der Produktion von Lebensmitteln? Anlässlich des 50. Jubiläums lädt dm dich zum Dialog ein: Mach mit bei „Und was denkst Du?“ und teile uns innerhalb der Umfrage mit, wie du dir deine eigene und unsere gemeinsame Zukunft vorstellst.

 

Eine Woche Zukunft

dm feiert in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum und bringt auf der Zukunftswoche vom 25. bis 29.09. namhafte Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft, Medien und Kultur miteinander ins Gespräch. Im Vordergrund stehen dabei die fünf Zukunftsthemen Das Ich im Wir, Ökologische Zukunftsfähigkeit, Kinder und Jugendliche, Neue Arbeitswelten und Gesundheit. Für diese Themen engagieren wir uns gemeinsam mit Partnern wie Nivea, elmex und Listerine.

 

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