Interview

Herr Vogler, darf man am eigenen Nachhaltigkeitsbestreben scheitern?

 

Konsum und Nachhaltigkeit – schließen sich beide Themen nicht per se aus? Ein Gespräch mit Andreas Vogler, CEO des Outdoor-Unternehmens Globetrotter, über Rabatte, Werte, Kundenansprüche und Greenwashing.

Der November ist da und mit ihm beginnt die Zeit der Angebote im Einzelhandel. Der sogenannte „Black Friday“, der Freitag nach Thanksgiving in den USA, läutet für viele Käuferinnen und Käufer die Vorweihnachtszeit ein. Denn der Einzelhandel verspricht in dieser Zeit viele Rabatte. Schon längst hat sich der „Black Friday“ zur „Black Week“ erweitert, schon längst ist das Format auch in Europa angekommen.

Aber ist dieser angebotsgetriebene Konsum noch zeitgemäß? Und verträgt sich das überhaupt mit dem großen Thema Nachhaltigkeit? Das haben wir Andreas Vogler, CEO beim Outdoor-Händler Globetrotter, gefragt.

Mit Globetrotter führen Sie ein Unternehmen mit, bei dem es um Naturerlebnisse geht: Reisen, Abenteuer, Outdoor. Damit Ihre Waren weiterhin relevant bleiben, braucht es ein Draußen. Gleichzeitig sind Sie abhängig davon, dass Menschen die von Globetrotter angebotenen Waren kaufen – und damit, durch beispielsweise Produktionsprozesse oder Ressourcenverbrauch, die Natur belasten. Schließen sich Konsum und Nachhaltigkeit nicht per se aus?

„Nein, Konsum wird und sollte einfach bewusster stattfinden, damit Ressourcenverschwendung bestmöglich vermieden werden kann. Wir wollen, dass unsere Kunden und Kundinnen nach draußen gehen, um die Natur zu erleben und zu spüren, was wiederum das Bewusstsein zu ihrem Erhalt hervorruft. Wir als Händler haben eine klare Verantwortung darauf hinzuweisen, wie Konsum und bewusstes, nachhaltiges Verhalten möglich ist. Daran arbeiten wir, aber auch unsere Markenpartner aus der Outdoor Branche täglich. Als Globetrotter wollen wir den Zugang und das Verständnis diesbezüglich ausbauen. Ich spreche da immer von einer Wert(e)schöpfungskette, die wir dem Kunden vermitteln müssen.“

Was meinen Sie damit?

 Nehmen wir zum Beispiel Jacken, die in unserem Sortiment vertreten sind. Hier schauen wir nicht nur auf die technischen Eigenschaften, sondern wir setzen uns auch mit der Werteschöpfungskette der Hersteller auseinander. Wir fragen uns: Welche Werte werden dort von Seiten des Herstellers gelebt? Dies ist ausschlaggebend für die Auswahl unserer Markenpartner, denn die Wertigkeit und Nachhaltigkeit eines Produkts fängt schon viel früher als beim Preisschild an. Daher überprüfen wir diese Werte sehr genau und unterstützen zum Beispiel Initiativen wie langfristige Zuliefererverträge, die generationsübergreifend Existenzen sichern. Unsere Aufgabe ist es, Partnerschaften einzugehen die unser Nachhaltigkeitskonzept unterstützen und in diesem Prozess Transparenz zu schaffen. 

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Andreas Vogler im Gespräch

Andreas Vogler, 49, ist seit November 2020 CEO bei Globetrotter. Der Familienvater von drei Kindern lebte unter anderem in den USA, Irland, Schweden und Griechenland. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Konsum und Nachhaltigkeit in diesen Ländern treiben ihn dazu an, die Möglichkeiten des nachhaltigen Konsums aufzuzeigen und auszubauen.

Globetrotter gibt es bereits seit den späten 70er Jahren und bereits damals war der Einsatz für Natur und Umwelt fest in der Unternehmensphilosophie verankert – so steht es auf Ihrer Website. Wie haben sich die Herausforderungen im Kontext zu Nachhaltigkeit in den vergangenen 40 Jahren verändert?

„Aus meiner Sicht ändern sich die Schwerpunkte und Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit über die Jahre nicht gravierend. Es geht um was Großes: den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten, sowie um den Erhalt der Biodiversität. Die Herausforderungen sehe ich eher in dem Verständnis der Dringlichkeit und vor allem im Bewusstsein, dass jeder und jede Einzelne dazu beitragen kann. Das hat sich sicherlich in den letzten Jahren verändert und ich hoffe, dass das Thema Nachhaltigkeit und bewusster Konsum mehr und mehr zu einer Erwartungshaltung von Kunden gegenüber Händlern und Marken wird, der wir natürlich gerecht werden wollen. Schlicht gesagt wollen wir, dass das unsere Kundinnen und Kunden von uns einfordern. Wir freuen uns, auch hier zu sehen, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich diesem Thema verschrieben haben. In der Outdoorbranche gibt es inzwischen einige Zusammenschlüsse, die das Ziel verfolgen, nachhaltiger zu handeln.“

Das stimmt, Nachhaltigkeit als Unternehmensziel ist so relevant wie noch nie. Warum dauert es trotzdem so lange, Nachhaltigkeit als Standard im Handel zu etablieren?

„Ein Unternehmenswert wird gelebt und geht nie zu Ende. Ganz im Gegenteil: Man versucht, ihn so stark zu verinnerlichen, damit man ihn spüren kann und so greifbar macht. Über die Jahre ergeben sich dann immer wieder neue und innovative Möglichkeiten, diesen Unternehmenswert durch Initiativen zu unterstützen, zum Beispiel sind auf dem Dach unserer Frankfurter Filiale zwei Bienenvölker beheimatet, die ihren Beitrag zum Erhalt der umliegenden Pflanzenwelt leisten und ganz nebenbei unseren ‚Globetrotter Honig‘ produzieren. Man muss immer hinterfragen, ob alles im Unternehmen danach ausgerichtet ist, diesen Weg der ständigen Anpassung mit gehen zu können. Ich glaube, genau das ist bei Globetrotter zu erkennen. Wir wissen, dass wir nie fertig sein werden.“    

Die von Unternehmen angebotenen nachhaltigen Maßnahmen können allerdings nur etwas bringen, wenn sie von den Konsumenten angenommen werden. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

„Kundinnen und Kunden sind sehr feinfühlig und wollen verstehen, was sie mit ihrem Konsum wie unterstützen können. Gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit wird im Markt auch viel Greenwashing betrieben. Daher ist es für Globetrotter und für mich wichtig, dass wir für unsere Kundinnen und Kunden und unserer Community ein Angebot der Aufklärung anbieten und dabei sehr offen, ehrlich, transparent und manchmal auch überraschend agieren, und mit den gelernten Erwartungen brechen. Damit meine ich, dass wir Verkaufsfläche für Werkstätten und Community-Clubhütten für Events in unseren Filialen einplanen und einbauen. Oder, wenn wir statt einer Black Week voller Sales-Angebote unsere grünere Woche mit Second-Hand-Fokus veranstalten. Damit bieten wir eine Alternative und die Möglichkeit, sich am nachhaltigen Konsum zu beteiligen.“

Ein Secondhand-Sortiment unterstützt die Kreislaufwirtschaft, die als nachhaltiges Konzept immer relevanter wird – auch im Handel. Was steckt genau dahinter?

„Der wichtigste Faktor sind die Produkte: Sind sie nicht langlebig, reparierfähig oder recyclebar, bricht der Kreislauf – an dieser Stelle sind wir gar nicht der Treiber. Aber wir haben erkannt, dass wir durch die Aufbereitung in den Werkstätten, durch den Verleih und den Verkauf von Secondhand-Ware den Produkten einen längeren Nutzen zuführen. Aus Kundensicht ist das der einfachste und naheliegendste Weg, nachhaltig zu konsumieren: die Ware länger am Leben zu halten.“

Das heißt Kundinnen und Kunden können ihre Produkte bei Globetrotter reparieren lassen?

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Eine Grünere Woche

Die Aktionswoche bietet einen Gegenentwurf zur Rabatt-Schlacht im November. Hier gibt es alle Infos.

„Genau. Wir bieten nicht nur den Neukauf, sondern auch das Instandhalten, Reparieren und Ausprobieren von Produkten an. Damit haben wir schon viele nachhaltige Alternativen, die wirklich gut angenommen werden. Und gerade in Bezug auf Secondhand-Ware sehen wir eine riesige Möglichkeit, unsere KundInnen zu beteiligen. Wir können nichts erzwingen, aber wir können informieren und kommunizieren. Beispielsweise stellen wir in unserem Berliner Store in unserem Innovation Lab neueste Technologien und Innovationen zum Thema Kreislaufwirtschaft unseren Kunden und Kundinnen vor.“  

Wir haben „Die grünere Woche“ thematisch bereits angerissen. Besonders jetzt zur Vorweihnachtszeit führt insbesondere der „Black Friday“ bei vielen Händlern zu Angeboten: Es wird der Eindruck suggeriert, man müsse jetzt zuschlagen. Warum spielt Globetrotter da nicht mit?

„Die Konsumschlacht im November mit ‘Singles Day’, ‘Black Friday’ oder ‘Cyber Monday’, ist aus unserer Sicht genau das Gegenteil von bewusstem Konsum und unterstützt auch nicht den Unternehmenswert der Nachhaltigkeit. Wir sind Ausrüster für Naturerlebnisse und wollen aufklären und dazu beitragen, dass unsere Kunden diese Outdoorfreude erleben können und sich gleichzeitig der Verantwortung gegenüber der Natur bewusst sind. Dabei bringen wir unseren Kunden gerade jetzt im November Themen wie Second Hand, Verleih oder Reparatur näher. Wenn wir Neukunden zu Stammkunden machen wollen, dann müssen sie auch unsere Werte teilen. Und deswegen erlauben wir uns, auf extrem rabattgetriebene Umsätze in der Zeit zu verzichten.“

Welche Maßnahmen sind im Rahmen der „Grüneren Woche“ geplant?

„Bis zum Start am 22. November bieten alle unsere Filialen ein Secondhand-Sortiment an, ab dem 26. November ist Secondhand-Ware auch online verfügbar. In den Stores finden unsere Kunden Sonder-Verkaufsflächen mit ausschließlich ‘Eine Grünere Wahl’-Produkten: Das Siegel kennzeichnet Produkte, die strenge Kriterien hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks erfüllen und eine echte, nachhaltige Alternative sind – außerdem sind sie reparierbar und recyclefähig. Zusätzlich bieten wir in einigen unserer Filialen und Online einen Ausrüstungsverleih an und rücken den Service unserer Reparaturwerkstätten noch mehr in den Fokus. In den Stores bieten wir auch den Ankauf gebrauchter Artikel an. Sie werden im Anschluss in unseren Werkstätten repariert und dann Teil unseres Secondhand-Sortiments.“

Jede Person kann also in den Store gehen und ihr altes Zelt verkaufen?

„Das Grundprodukt muss schon stimmen. Das heißt die Materialien müssen so hochwertig sein, dass wir das Produkt aufbereiten und wiederverkaufen können. Aber ja: Man kann in den Store gehen, dann wird das Produkt vor Ort geprüft und wir kaufen es nach positiver Prüfung an.“

Der Begriff „grünere Woche“ impliziert, dass sie zwar grüner ist, aber nicht grün. Das kann man als vage Aussage, quasi als Absicherung, lesen. Oder als realistisch, als sehr ehrlich und transparent, begreifen. Welche Lesart ist die richtige?

Wir müssen jeden Tag dazulernen – und sind noch lange nicht am Ziel oder perfekt. Wir stehen dafür, viel auszuprobieren. Dazu gehört dann auch, dass wir noch nicht für jedes aufkommende Problem eine Lösung haben. Wir arbeiten mit Initiativen und Aktionen, die die Nachhaltigkeit in den Fokus rücken. Und das so ehrlich und transparent, wie es uns möglich ist. Zum Beispiel informieren und zeigen wir mit den von uns produzierten Reparatur- und Pflegevideos, wie Ausrüstung Instand gehalten und gepflegt wird. In unseren Clubhütten gibt es Vorträge zum Thema ‚Nachhaltiges Reisen‘ oder ‚Zero Waste‘. In unserem City Store in Nürnberg steht der Workshop ‚Bauen mit Altholz‘ an, hier lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie man aus Materialien, die man sonst wegwerfen würde, Garderoben, Hocker, oder Nistkästen zu baut. Wir sind nicht immer perfekt, aber wir können vieles besser machen, um ein Konsumverhalten zu verändern. Und auch hier werden wir uns weiterentwickeln und unsere Kunden mit auf die Reise nehmen.

Also darf man auch an der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie scheitern?

„Auf dem Weg etwas zu bewegen wird man auch mal scheitern. Globetrotter war schon immer voller Pioniergeist: Wir unterstützen die Mitarbeiter, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Wir suchen förmlich nach neuen Wegen, um für uns und unsere Kunden neue Erfahrungen anbieten zu können. Ich nenne da gerne unsere Virtual Reality Roadshow, die 2019 und 2020 durch Deutschland getourt ist und jetzt als Pop-Up Store in der Hamburger Europapassage installiert ist. Statt unser Budget in eine standardmäßige Kampagne zu investieren, haben wir es gewagt, mit dem Virtual Reality Abenteuer für uns völlig unbekanntes Terrain zu betreten.Wir wollen über Beratung und innovative Vorgehensweisen begeistern, aber auch aufzeigen, was möglich ist. Daher sehe ich es als ein Muss, auch mal zu scheitern, um letztendlich bewerten zu können, an welchen Stellen man sich weiterentwickeln sollte.“

„Wir wollen das führende und nachhaltigste Outdoor-Unternehmen werden“ – so eines der erklärten Ziele von Globetrotter. Wie weit sind Sie heute? Und was muss das nächste kurzfristige Ziel sein, das erreicht werden muss, damit sie dem erklärten Ziel ein Stück näherkommen?

„Es gibt weiterhin viel zu tun und wir werden ständig daran arbeiten, unseren Kunden Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich am Thema Nachhaltigkeit beteiligen können. Umso besser wir aufklären und umso vielfältiger wir unsere Angebote gestalten, desto nachhaltiger wird auch Globetrotter. Wir werden im kommenden Jahr noch mehr Fokus auf den Ausrüstungsverleih legen und weiterhin auf die erstklassige Arbeit in unseren Werkstätten setzen. Auch unserer Kriterien für das Siegel “Eine grünere Wahl” werden regelmäßig analysiert, um eventuell Anpassungen vorzunehmen – da müssen wir sehr streng sein. Als Händler ist unser größter Beitrag über die Ware definiert, die wir an unsere KundInnen verkaufen. Uns geht es um ein ‘Wie und Warum’. Schließlich haben wir Zugang zu Millionen von Kunden und Kundinnen.“

 

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